Benötige Hilfestellung beim WIG-Schweißen

  • Hallo zusammen,

    bin immer noch blutiger Schweißanfänger mit leider viel zu wenig praktischer Erfahrung. Das von mir verwendete Schweißgerät ist ein VECTOR Welding Schweißgerät AC/DC WIG OW 250 Puls M. plasma ALU Inverter MMA Elektrode.
    Habe bisher primär nur dünne 1 bis 2 mm dicke Bleche mehr oder weniger erfolgreich geschweißt.

    Folgende neue Aufgabenstellung steht bei mir nun an:
    Kehlnahtschweißen - Flacheisen an Rohrstück. Die Materialdicke von Rohr und Fl-eisen beträgt jeweils 5 mm. Es soll ein Nutringschlüssel entstehen.
    Das Material beim Rohr ist Automatenstahl, wie er in Drehereien verwendet wird und wurde dort extra auf Maß gefertigt. Das anzuschweißende Flacheisen stammt von einem Scharnierband eines Hoftores. Die genaue Stahlbezeichnung ist mir daher unbekannt.

    Da ich mangels weiterer Material-Übungsstücke und fehlender Erfahrung nicht erst unzählige Versuche starten möchte und dabei wahrscheinlich das Drehteil ruinieren würde, hätte ich gerne Informationen und Tipps, wie diese Aufgabe fachgerecht und effektiv anzugehen ist und welche Einstellungen dafür zu wählen sind, wie z. B. hinsichtlich:
    1. Elektrodendicke (habe 1,6 und 2,4 mm) ?
    2. Gasdüsengröße (habe 4-er, 5-er, 6-er und 7-er) ?
    3. einzustellende Gasmenge ?
    4. Einstellungen am Schweißgerät selbst? u.a. des Schweißstromes ?
    5. Sollte die Verschweißung ohne Spalt und ohne Zusatzwerkstoff erfolgen, oder aber besser auf Spalt mit Zusatzwerkstoff ?
    Ich tendiere zu Ersterem, um die Schweißnaht verschmelzen zu lassen. Das saubere Zuführen und Abschmelzen lassen des Zusatzes bereitet mir noch Probleme - und ist an
    einem Rohrmantel wohl noch etwas schwieriger.
    6. Ich gehe davon aus oben und unten eine Naht zu legen - richtig ?
    7. Sollte das Flacheisen im Nahtbereich zuvor angefast werden - und wie stark ?

    Neben der Verbindungsschweißung möchte ich auch noch das im Flacheisen vorhandene angesenke Bohrloch zuschweißen.
    8. Auf was ist dabei zu achten, welche Geräteeinstellung ist vorzunehmen?
    Ich befürchte, dass das Flacheisen auf dem Schweißtisch festgescheißt werden könnte - Hilft da ein Kupferblech unterzulegen?
    Meine zurückliegenden Lochschweißungen waren eher wenig begeisternde Klecksereien.

    Hier jetzt noch einige Fotos von der zu anstehenden Aufgabe. Es würde mich sehr freuen, wenn ich an den Erfahrungen der Profis und Fortgeschrittenen teilhaben dürfte und Ihr mich mit viel Input versorgt.

    Beste Grüße - Reinhard

  • Also Automatenstahl ist zwar "verbindbar" aber eine wirklich belastbare Schweißnaht wird wegen des Schwefelgehaltes (für besseren Spanbruch) des Automatenstahl kaum möglich sein. Ob das hält wird wohl davon abhängen welche Kräfte übertragen werden müssen beim benutzen als Nutringschlüssel.

  • Zur Erkärung: Nicht alles, was Eisenatome enthält ist schweißber. Automatenstahl gilt als nicht schweißbar, ebenso ist bei Schmiedeeisen unbekannter Zusammensetzung die Schweißbarkeit reine Glückssache. Man mag da schon eine vernünftig aussehende Schweißnaht hinbekommen, aber die Haltbarkeit ist nicht gesichert.

    Abgesehen davon werden die Zapfen des Nutmutternschlüssels bei der Materialwahl nicht viel aushalten.

  • danke für die mehr oder weniger ernüchternden Antworten. Bin jetzt total verunsichert und werde nochmals nachfragen ob es tatsächlich so ein Automatenstahl ist. Wenn der jetzt tatsächlich so wenig aushält (was auch immer wenig Ist) frage ich mich weshalb man solchen verwendet. Soweit ich das mitbekommen habe werden aus diesem alle möglichen Hydraulikschlauchanschlüsse gefertigt.

    Der Nutenschlüssel wird für ein Drehmoment bis maximal 140 Nm benötigt. Wäre das mit der vorliegenden Stahlsorte zu schaffen? An WIG-Löten mit CUSi3 hatte ich alternativ auch schon gedacht - aber wäre eine solche Lötverbindung nicht noch weniger belastbar?

    Was für eine Stahlsorte / -qualität wäre denn die passende für diese Aufgabenstellung?

    BG - Reinhard

  • Vom Gefühl her nicht. Ich hab mir zum Einstellen des Radlagerspiels meines Oldtimer-LKWs so einen ähnlichen Schlüssel gebastelt, allerdings mit minimalen Aufwand für eine Einmalaktion. Sprich ein Stück 8mm starken ST37 Flachstahl mit der Flex bearbeitet und dann das Ergebnis auf ein Stück Rechteckrohr aufgeschweißt. Die Schweißnaht hat natürlich locker gehalten, aber die Zapfen waren hinterher verbogen. Aber wie gesagt, es war für eine Einmalaktion.

  • Servus,

    Bin jetzt total verunsichert und werde nochmals nachfragen ob es tatsächlich so ein Automatenstahl ist. Wenn der jetzt tatsächlich so wenig aushält (was auch immer wenig Ist) frage ich mich weshalb man solchen verwendet. Soweit ich das mitbekommen habe werden aus diesem alle möglichen Hydraulikschlauchanschlüsse gefertigt.


    Automatenstahl an sich ist ja nicht schlecht, im Grundzustand ist die Festigkeit durchaus ok, das Problem ist die Wärmeeinwirkung durch das Schweißen wodurch sich wegen dem Schwefelanteil Sulfidausscheidungen bilden, DIE sind das Problem indem sie die wärmebeeinflusste Zone verspröden.

    Der Nutenschlüssel wird für ein Drehmoment bis maximal 140 Nm benötigt. Wäre das mit der vorliegenden Stahlsorte zu schaffen?

    und

    Was für eine Stahlsorte / -qualität wäre denn die passende für diese Aufgabenstellung?


    Für nen groben Überschlag der Beanspruchungen würde mich die Breite vom Flacheisen, die Maße der Zapfen und der Durchmesser vom Rohrstück interessieren

    An WIG-Löten mit CUSi3 hatte ich alternativ auch schon gedacht - aber wäre eine solche Lötverbindung nicht noch weniger belastbar?

    Die Streckgrenze von einer CuSi3 Lötnaht im unbehandelten Zustand ist laut MTC-Katalog bei 120 MPa, also gut der Hälfte vom S235. Mit entsprechend Nahtquerschnitt evtl. zu kompensieren.
    CuSi3 halte ich hier aber für nicht ideal, die erwähnten Sulfidausscheidungen entstehen bei ca. 900 °C, das ist in etwa auch der Bereich in dem CuSi3 schmilzt. Hartlöten mit Silberhartlot, das im Bereich 600 ... 700 °C schmilzt wäre besser, wenn es denn tatsächlcih ein Automatenstahl ist

    schöne Grüße
    Tommy

  • Für nen groben Überschlag der Beanspruchungen würde mich die Breite vom Flacheisen, die Maße der Zapfen und der Durchmesser vom Rohrstück interessieren

    Die Abmessungen sind wie folgt:
    Hebelarm (Flacheisen): L 350 mm, B vorne 39 mm, B hinten 21 mm, Dicke 5 mm
    Rohrstück: D innen 47,5 mm, Wandungsdicke 5 mm
    Zapfen: L 7 x B 4 mm, Höhe 6 mm

    Habe jetzt auch noch die genaue Bezeichnung des Automatenstahls erfragt - 9SMNPB30K - mir sagt das leider nix, aber vielleicht hilft es weiter. Bin gespannt zu welchen Erkenntnisse Ihr gelangt.

    BG - Reinhard

  • Servus,

    Vorweg, die Überschlagsrechnung ist nach besten Wissen und Gewissen entstanden, ich übernehme aber keinerlei Haftung dafür!

    reidiekl.PNG

    9SMnPb30 wäre von der Streckgrenze her in der Größenordnung wie ein S235, also bei den geplanten 140 Nm Drehmoment machen die Zapfen auf dauer eher nicht mit. Die Kerbwirkung ist auch noch nicht berücksichtigt, andererseits kööönnte sich das teilweise mit der Worst-Case-Annahme was den Kraftangriffspunkt am Zapfen betrifft ausgleichen.
    Aus dem Bauch raus darfs aber ruhig ein Stahl sein mit Streckgrenze in der Größenordnung 800 MPa, das wäre dann eher die Ecke Vergütungsstähle, 42CrMo4 z.B., aber auch wieder nicht so ohne weiteres schweißbar.

    Versteh mich bitte nicht falsch, ich will dir dein Projekt keinesfalls schlechtmachen, es ist halt die Frage wie oft (wie schon einer meiner Vorredner gesagt hat) der Schlüssel verwendet werden soll und ob jedesmal die 140 Nm auf ihn zukommen

    schöne Grüße
    Tommy

  • Danke für Eure Einschätzung und insbesondere an Tommy für die Berechnung.
    Hatte als Laie diese Festigkeitsprobleme gar nicht gesehen und nur an die für mich vordergründigen Probleme des Schweißens gedacht. Aber Ihr habt Recht, was hilft das Verschweißen, wenn es letztlich aus Materialgründen nicht hält.

    Trotzdem wäre ich für ein paar Hinweise zum Schweißprozess dankbar.

    Habe mir auch überlegt die Benutzung des Zapfenschlüssels für den Demontagevorgang erst mal ohne angeschweißten Hebelgriff zu verwenden, denn dafür benötige ich keinen Drehmomentschlüssel, sondern kann einen einfachen Hakenschlüssel an die Zapfenhalbschale ansetzen. Einen solchen, der auch wunderbar passt, habe ich sogar. Für die spätere Wiedermontage kann ich später noch die Griffschweißung vornehmen, wenn sich keine bessere Lösung ergibt. Ob die Zapfen halten sehe ich ja schon halbwegs bei der Demontage.

    BG - Reinhard

  • Also,
    ich habe auch schon aus Verzweifelung solche "Dinger" gemacht/gebaut, durchaus mit unbekanntem Stahl aus der Restekiste... hat immer gahalten, war aber auch immer dicker als Handelsüblich gebaut.
    Was ich aber NIE machen würde: Elektroden dafür benutzen! (Wenn du schon so ein tolles Wellinger Fick Fack Wup Schweißgerät hast, verwende doch dafür die Wig Funktion)
    Dauer max. 1Min. länger.
    Gruß, Bastelkönig

  • Was ich aber NIE machen würde: Elektroden dafür benutzen! (Wenn du schon so ein tolles Wellinger Fick Fack Wup Schweißgerät hast, verwende doch dafür die Wig Funktion)

    Elektrodenschweißen hatte ich auch gar nicht vor.
    Gerade auf das WIG-Schweißen bezogen sich doch die 8 Fragen in meinem Eingangspost, zu denen bisher noch nichts geantwortet wurde.

    Aus welcher Stahlsorte (genaue Bezeichnung) müsste denn das Werkzeug (Nutenring) gefertigt werden, damit die verlangte Festigkeit und entsprechende Schweißbarkeit erreicht werden können ??? Das Werkzeug nochmal aus dem richtigen Material zu drehen ist doch nicht das Problem.

    BG - Reinhard

  • Ich denke, da gibt es eine Reihe von Kandidaten. Wichtig ist nur, dass du keinen Automatenstahl nimmst. Automatenstähle sind oft "normale" Stähle, die zusätzlich mit Schwefel legiert werden, damit die Bearbeitungszentren nicht in kilometerlangen Fließspänen ersticken. Schwefel ist aber Käse, wenn du schweißen musst.
    Such dir einen Vergütungsstahl oder Werkzeugstahl aus oder frag in dem Betrieb, wo du den Nutring fertigen lassen willst, was die da haben, und nimm den.
    Nach dem Schweißen musst du dann die richtige Wärmebehandlung machen (lassen), das ist eigentlich das wichtigste. Du könntest es zum Beispiel mit Silberstahl 1.2210 versuchen

    Kippt der Bauer Milch in den Tank, wird der Trecker sterbenskrank.

  • Nach dem Schweißen musst du dann die richtige Wärmebehandlung machen (lassen), das ist eigentlich das wichtigste. Du könntest es zum Beispiel mit Silberstahl 1.2210 versuchen


    Wärmebehandlung? Was genau ist darunter zu verstehen - härten?
    Sorry, metallbau- und schweißtechnisch bin ich Laie, vor allem was Stahlarten, -eigenschaften und -verarbeitung angeht. Hatte bisher im Prinzip nur zwischen "Normal"stahl und Edelstahl unterschieden - ach ja Kortenstahl kenn ich auch noch, aber das war es dann auch schon fast.
    Dazu, wie sich die verschieden Stahlsoten beim Schweißen verhalten, fehlt mir noch die Erfahrung. Aber es gibt ja Foren wie dieses, um hinzu zu lernen.

    BG - Reinhard

  • Härten ist der erste Schritt (also erhitzen und dann abschrecken). In einem zweiten Schritt musst du so ein Bauteil aber unbedingt noch anlassen, das heißt nochmal erhitzen und langsamer abkühlen lassen. Dazu gibt es zu jeder Stahlsorte Datenblätter und Diagramme, die Unterschiede sind zum Teil erheblich.
    Wenn du das Anlassen weglässt, ist dein Stahl glashart, das heißt er ist extrem spröde und splittert bei Überlastung oder Erschütterungen.

    Wenn du an großen, massiven Bauteilen kleine Bereiche schweißt, kann dir das Schweißgut auf die gleiche Weise extrem aufhärten. Das Abschrecken findet in dem Fall durch den Wärmeabfluss in das Bauteil statt. Hatte ich letzte Woche, als ich in einer Stahlplatte eine falsch gesetzte Bohrung zugeschweißt habe und korrigieren wollte. Keine Chance, da mit einem HSS-Bohrer durchzukommen.

    Kippt der Bauer Milch in den Tank, wird der Trecker sterbenskrank.

  • Hallo Obijan vielen Dank für die verständliche Erläuterung zur Wärmebehandlung.
    Benötigt man dafür einen Schneidbrenner mit Acetylen und Sauerstoff oder reicht auch ein einfacher Hartlötbrenner mit Propangasflasche? Letzteres habe ich und könnte das dann mal versuchen.

    Verstehe ich das richtig, dass bei jedem Schweißvorgang die Schweißnaht/Bauteil - auch ohne Abschrecken - immer zuschnell abkühlt und dadurch immer eine Verhärtung eintritt?

    BG - Reinhard

  • Ja, im Bereich der Wärmeeinflußzone findet eine Gefügeänderung statt. Daher mag der TÜV durchgezogene Schweißnähte an bestimmten Stellen nicht sehen.

    Ich würde das fertige Bauteil in eine Härterei geben. Dann wirds was Gescheites. I.d.R. haben Drehereien jemand an der Hand. Frag einfach nach.

  • Wenn die Dreherei das gleich zum Vergüten gibt, wird die Wärmebehandlung aber wieder vermurkst, sobald Reinhard den Griff anschweißt.

    Den 1.2210 hab ich genannt, weil der gerüchteweise relativ unkompliziert zu vergüten ist. Das geht zur Not sogar in einem Holzkohlegrill, weil du die Temperatur da nicht auf 5K genau treffen musst. Du musst dir ein Werkstoffdatenblatt zu dem von dir gewählten Stahl besorgen (da hilft dir so ziemlich jede Suchmaschine bei) und du brauchst entweder Farbtafeln, um anhand der Glühfarbe die Temperatur abzuschätzen oder ein passendes Thermometer (Infrarot oder so). Damit solltest du das auch selbst hinbekommen können.

    Kippt der Bauer Milch in den Tank, wird der Trecker sterbenskrank.

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